Digitalisierung bringt nun auch Patienten Vorteile

Veranstaltung des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland und des BMC Regional NRW in Münster erörterte Chancen und Gefahren

Seit dem 1. Oktober können Patienten sich ihre Medikamente-Einnahmen auch digital in einem sogenannten "Medikationsplan" zusammenstellen lassen. Dadurch lassen sich Fehlmedikationen, die einer der Hauptgründe für Krankenhauseinweisungen sind, vermeiden. Wie digitale Medikamentenplanung funktioniert und welche weiteren Vorteile aber auch Risiken Patienten durch die Möglichkeiten der modernen Datentechnik haben, wurde bei einer Veranstaltung des Gesundheitsnetzwerks Münsterland und des BMC Regional NRW (Bundesverband Managed Care) in Münster (Technologiehof) thematisiert.

Deutlich wurde: Die Gesundheitsdaten der Patienten werden mehr und mehr elektronisch verfügbar sein. Selbstverständlich müsse der Datenschutz dabei höchste Priorität haben, betonte Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Nach seiner Meinung werden sich allerdings nur praktische Anwendungen in den Arztpraxen durchsetzen können, die nützlich und einfach den Arbeitsalltag des Arztes unterstützen und nicht etwa zu Mehraufwand in den Abläufen führen. Die grundsätzliche Bereitschaft der Ärzte, sich mit der zunehmenden Digitalisierung aktiv auseinander zu setzen, zeigt in Kriedels Augen die wachsende Zahl der Nutzer des sogenannten „Safenets“ der Kassenärztlichen Vereinigungen, an dem mittlerweile mehr als 100 000 Praxen teilnehmen.

Die Bundesregierung macht mit dem vor Kurzem verabschiedeten E-Health-Gesetz Druck: Es soll bei den Patienten ein digitaler Mehrwert mit der bereits eingeführten elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden. Neben den Notfalldaten sollen Patienten und Ärzte in naher Zukunft von weiteren Entwicklungen wie der elektronischen Patientenakte oder elektronischen Arztbriefen profitieren, erläuterte Ministerialrat Dr. Stefan Bales, Referatsleiter für rechtliche, ökonomische und medizinische Fragen der Telematik und sowie Patientenbelange im Bundesgesundheitsministerium. Dabei sei es auch wichtig zu klären, wie Endgeräte der Patienten (zum Beispiel Smartphones) eingebunden werden können. Dies müsse allerdings sicher geschehen. „Der Arzt muss sich darauf verlassen können, dass die Daten auch wirklich von dem jeweiligen Patienten stammen und einem verantwortlichen Arzt zugeordnet werden können.

Günter van Aalst, Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der Techniker Krankenkasse (TK), Düsseldorf und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, ZTG – Zentrum für Telematik und Telemedizin (Bochum), sprach sich für neue Lösungen im digitalen Bereich aus, gerade auch, um die Versorgung im ländlichen Raum künftig gewährleisten zu können. Das neue sogenannte „E-Health-Gesetz mache es ab 1. Juli 2017 Ärzten möglich, die Televisitation (Patientengespräche über das Internet) als Regelversorgung abzurechnen. Die Vorteile durch Digitalisierung müssen laut van Aalst für Patienten und Ärzte klar werden. Das Gesundheitssystem bekomme durch die Digitalisierung den inzwischen dringend benötigten Innovationsschub, um moderne Medizin bei bestmöglicher Qualität gut erreichbar zu machen. Auch die Diagnostik werde sich durch die zunehmende Verknüpfung von Daten verbessern und damit den Arzt unterstützen.

Mit dem NRW-Förderprojekt FALKO.NRW (Medizinische Falldatenkommunikation in interoperablen Netzwerken) stellten Marcus Kremers und Leif Grundmann einen Lösungsansatz für die aktuell „noch sehr unbefriedigende“ Kommunikation von Patientendaten zwischen Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens vor. Bisher müsse zum Beispiel bei Verlegungen von Patienten in aller Regel ein Datenmix aus elektronischen Dokumenten, Papierakte, Fax, CD/DVD, E-Mail und Telefonnotizen über die einzelnen Patienten zusammengetragen und versendet werden. Das Projekt arbeite an einer Infrastruktur, die den angeschlossenen Einrichtungen unabhängig von deren Gerätekonstellationen eine Kommunikation aller notwendigen Falldaten ermöglichen soll.

Thomas Engels stellte das neue persönliche Gesundheitskonto „Vitabook“ vor: Hier könne der Patient alle medizinischen Daten in einer eigenen Akte speichern, die unabhängig von der Arztakte sei. Bisher mussten Praxen dem Patienten zum Beispiel eine CD mit seinen Befunden, auf die er einen gesetzlichen Anspruch hat,  brennen, so Engels. Nun könnten sie ihm alles in die Cloud laden. Diese sei multifunktional, auch Arzttermine könnten über sie angefragt und geplant werden. „Vitabook ist der Service-Provider des Bürgers“, so Engels.

Aktuelle Anforderungen an die digitale Archivierung von Patientendaten im Krankenhaus stellte Stefan Müller-Mielitz von DMI aus Münster vor. Er erläuterte, wie das Unternehmen die meist analogen Patientendaten aus der Patientenakte erfasst, für die Krankenhäuser digitalisiert und mit vorhandenen elektronischen Dokumenten qualifiziert. Es sei allerdings noch ein langer Weg, bis eine für alle Einrichtungen einheitliche und nach einem gemeinsamen Standard nutzbare Form existiere.

Auf die rationale Arzneimitteltherapie (Auswirkungen des E-Health-Gesetzes und Pharmadialogs für die Praxis) ging Prof. Dr. Guido Noelle, Geschäftsführer gevko GmbH Bonn, umfassend ein.

In einer Podiumsdiskussion mit den Referenten wurde klar: Alle Entwicklungen seien noch zu wenig am Patienten orientiert. Hier müsse mehr getan werden. Die noch nicht gelösten Kommunikationsprobleme zwischen allen an der Therapie Beteiligten führten oft zu unnötigen Reibungsverlusten. Gleichzeitig wurden die enormen Chancen der digitalen Kommunikation hervorgehoben. Dr. Bales: Statt der bisherigen Datenweitergabe von Arzt zu Arzt ergäben sich durch die elektronische Patientenakte neue Möglichkeiten zur Information aller Beteiligten. Denn: „Je mehr Informationen der Arzt oder die Ärztin bekommt und je sortierter diese Informationen sind, desto besser ist die Behandlung.“